«Die allerbesten Ideen bringen meine Kunden mit»
Jeder Forstwart versuche sich wohl Mal im «Schnätzen», ihm sei es geblieben, meint Elias Rieder im Gespräch in seiner ruhigen Art. Seit gut einem Jahr sägt und schnitzt der 23-jährige Haslitaler vollberuflich Holzskulpturen. Als gelernter Forstwart hat er ein gutes Händchen für den Grundbaustoff seiner Kunstwerke, das Holz, und auch das nötige Werkzeug für die Bearbeitung steht in seinem Atelier in der alten Säge im Muhr, Schattenhalb. Wie er seine Bäume auswählt, wie er zu seinen Ideen kommt und welche grossen Pläne er noch hat, erzählt Elias im Interview mit der Plattform Haslital.
Plattform Haslital: Du bist mit deinen Holzfiguren Gast bei uns im Plattform-Schaufenster. Seit wann beschäftigst du dich mit dem Schneiden und Sägen derartiger Figuren?
Elias Rieder: Das hat schon zu Beginn der Lehre im Jahr 2013 angefangen. Ein Kollege hat damals einen Adler geschnitzt. Das hat mein Interesse geweckt und so habe ich einen ersten Versuch gemacht. Von da an habe ich es immer wieder ausprobiert, getüftelt und mich stetig weiterentwickelt. Ich denke, jeder Forstwart versucht sich früher oder später mit dem Schnitzen einer Skulptur. Die einen packt das Fieber, die anderen fällen lieber Bäume.
Du bist gelernter Forstwart, wann hat sich für dich abgezeichnet, dass du voll auf die Karte Holzkunst setzen möchtest?
Das war irgendwie fliessend. Über die Jahre wurden meine Werke und Skulpturen immer ein bisschen besser, dadurch konnte ich auch immer mehr verkaufen. So wuchs der Wunsch, mich selbständig zu machen. Das war ungefähr vor drei Jahren. Irgendwann war für mich alles sehr klar – obwohl ich eigentlich noch andere Pläne gehabt hätte.
Und welche anderen Pläne?
Ich hätte mich gerne noch in meinem Beruf etwas spezialisiert. Oder ich wäre gerne auch Mal aus dem Hasli raus gegangen, so für ein, zwei Jahre, um Mal zu sehen, wie es im Flachland so wäre; alles weniger steil, weniger unpraktisch und wohl auch mit grösseren Bäumen. Das hätte mich interessiert. Aber ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden mit dem Weg, den ich eingeschlagen habe.
Wie hast du dich denn ganz zu Beginn neben deiner Arbeit organisiert?
Ganz zu Beginn war das Schnitzen ein Hobby, das ich in meiner Freizeit gemacht habe. Bei der Bäuertgemeinde Hasliberg, wo ich die Lehre gemacht habe, durfte ich jeweils die Sägen benutzen, wenn ich etwas Schnitzen wollte. Und einmal konnte ich während der Lehre auf Bitte des Instruktors in einem Holzerkurs im Wallis zwei Pilze als Dankeschön für ein Hotel schnätzen. Dafür habe ich dann einen Nachmittag Zeit bekommen. Das war super!
Wo oder wie lässt du dich inspirieren? Woher hast du deine Ideen?
Für mich sind sicher soziale Medien wie Facebook und Instagram wichtig. Da sehe ich die Werke von Leuten aus der ganzen Welt. Gewisse Ideen habe ich auch selber, aber die wirklich allerbesten Ideen und Inspirationen, die bringen mir meine Kunden. Heute war beispielsweise jemand da, der wünschte sich eine Meerjungfrau. Ich hätte im Leben nie gedacht, dass jemand kommt und sich sowas wünscht! Es ist für mich sehr spannend, etwas Spezielles anzufertigen. Oft kommen Kunden auch mit Ideen, bei denen ich Bedenken habe und sagen muss, dass es schwierig werden könnte. Aber ich probiere es dann trotzdem. Und so schnitzt du schliesslich etwas, von dem du zuerst das Gefühl hattest, es sei fast unmöglich. So habe ich immer wieder neue Herausforderungen.
Das klingt anspruchsvoll. Hat dir mal jemand gezeigt, wie man – auch technisch – genau vorgehen muss?
Nein, eigentlich nicht. Im Berner Oberland ist diese Art Schnitzen nicht so verbreitet. Die ersten drei Jahre habe ich mir alles selber beigebracht. Mit der Säge zu schnitzen, ist Übungssache. Man könnte schon Bildhauer lernen beispielsweise, das ist aber irgendwie nicht dasselbe. 2017 habe ich schliesslich von meinen Grosseltern einen wöchigen Kurs im Tirol geschenkt bekommen, zum Thema «Schnitzen mit der Motorsäge».
Kannst du uns kurz beschreiben, wie es in deinem Atelier aussieht?
Meistens liegt dort ganz, ganz viel Sägemehl und es ist sehr staubig. Dann hat es sicherlich ungefähr zehn Motorsägen und verschiedene Winkelschleifer. Die Sägen sind ganz unterschiedlich gross, von der kleinsten mit einem Carving-Schwert bis zur zweitgrössten mit einem riesigen Schwert.
Auf welches Werkzeug möchtest du nicht verzichten?
Ich habe zwei Lieblingssägen, die mir sehr am Herzen liegen. Die habe ich sogar noch mit Wasserfolierungen verzieren lassen. Es sind beides Werkzeuge, mit denen ich den Rohling mache, also die grossen Teile des Stammes wegsäge. Ohne die könnte ich nicht arbeiten.
Woher hast du denn die Holzblöcke, die du für deine Figuren benötigst?
Das Holz, das ich verwende, kommt in der Regel alles aus der Region. Es ist mir wichtig, das Material möglichst lokal zu beziehen. Das bedeutet auch, dass ich nicht extra woanders hin gehe, um Holz zu kaufen, nur weil es dort vielleicht grad billiger wäre. Meistens rufen mich Förster aus dem Hasli an, wenn sie etwas Spezielles für mich haben. Die wissen, was ich brauche. Und zu neunzig Prozent kaufe ich dann das Holz auch.
Deine Figuren unterscheiden sich auch stark in den Farben der Hölzer. Was eignet sich am besten für deine Arbeit?
Für mich sind Lärchen- und Eichenhölzer die Besten. Beide sind farblich sehr schön und vor allem können sie auch garstiges Wetter aushalten. Meine Skulpturen stehen ja meistens nicht in Wohnzimmern, es sind eher Objekte für den Garten. Meine Skulpturen haben ihren Preis, dann möchte ich meinen Kunden auch etwas Gutes bieten. Auf Wunsch behandle ich das Holz, damit es noch länger wetterfest ist.
Gibt es einen typischen Kunden, der bei dir eine Skulptur kauft?
Nein, den gibt es nicht. Da ist wirklich vom Lernenden bis zum Pensionär alles dabei. Es gibt auch nicht eine Art Mensch, der bei mir einkauft. Das Einzige, was ich sagen kann: Uhus und Eulen verkaufe ich meistens nur an Frauen und wenn ich einen Uhu einem Mann verkaufe, dann ist er sicher für seine Frau. Das ist das Einzige, was ich bisher festgestellt habe.
Was bestellen denn die Männer?
Männer mögen Adler. Aber auch die Frauen bestellen Adler, das ist etwa fünfzig zu fünfzig.
Wie sieht denn ein typischer Arbeitstag von Elias Rieder aus?
Ich stehe auf, mache Kaffee und schaue meine Mails durch. Etwa um acht, halb neun gehe ich dann arbeiten. Ich beginne absichtlich nicht früher, damit ich die Nachbarn nicht mit Sägelärm wecke. Dann gehe ich mal in mein kleines, heizbares Räumchen, wo an einer Wäscheleine meine Aufträge hängen. Dort schaue ich durch, ob ich einen konkreten Kundenauftrag ausführen kann oder ob ich Zeit habe, etwas Neues auszuprobieren. Oder ob ich gängige Skulpturen machen kann wie Adler oder Uhu, die ich dann im Ausstellungsraum platziere. Nebenbei telefoniere ich rund dreissigmal pro Tag und oft bin ich unterwegs, um z.B. in einem Garten einen Holzstrunk zu besichtigen, aus dem eine Skulptur entstehen soll. Und dann besichtige ich auch immer wieder Holz, das mir zum Kauf angeboten wird.
Wie sind denn Holzkünstler wie du organisiert? Gibt es einen Austausch untereinander, eine Art Netzwerk?
Ja, wenn keine Pandemie herrscht, dann würde in der Schweiz auch ein Holzschnitzer-Wettkampf stattfinden, wo man sich in verschiedenen Disziplinen messen oder Skulpturen gemeinsam mit anderen kreieren kann. Ich war leider noch nie dabei. Hoffentlich kann der Wettkampf dieses oder zumindest nächstes Jahr dann stattfinden. So könnte ich neue Leute kennenlernen und mich austauschen, damit ich auch mein persönliches Netzwerk vergrössern könnte und nicht nur dasjenige im Internet.
In Brienz gibt es ja ein regional stark verankertes, traditionelles Schnitzer-Handwerk. Lehnst du dich auch an die Arbeiten solcher Künstler an?
Natürlich lasse ich mich von der Brienzer Holzbildhauerei inspirieren, so wie auch von anderen Künstlern weltweit. Jede künstlerische Arbeit hat ihren Stil, ihre Handschrift und mit den Jahren verfeinert man die Arbeiten auch, verbessert sich. Es kommen immer wieder neue Einflüsse hinzu.
Seit einem Jahr bist du nun selbständig. Gab es auch Momente, in denen du unsicher warst, ob du den richtigen Weg eingeschlagen hast?
Nein, ich habe noch nie bereut, diesen Weg eingeschlagen zu haben. Es erfüllt mich immer wieder mit grosser Freude, wenn ich die glücklichen Augen meiner Kunden sehe. Und ich will noch ganz vieles ausprobieren und mich weiterentwickeln. Natürlich gibt es auch Arbeiten, die nicht gelingen. Diese enden dann als Brennholz, das gehört auch dazu.
Wenn du in Zukunft schaust, welche Projekte möchtest du noch anpacken?
Das nächste Projekt ist sicherlich der eigene Schnitzer-Kurs, den ich im Sommer gemeinsam mit einem Bildhauer aus Brienz durchführe. Der Kurs ist bereits ausgebucht. Und das nächste ist dann ein Weltrekordversuch. Ich habe einen Mammut-Baum gekauft, aus dem ich den weltgrössten Steinadler schnitzen möchte. Allerdings habe ich den Stamm noch nicht in Natura gesehen, deshalb kann ich noch nicht recht beurteilen, ob das was werden wird. Aber wenn möglich, möchte ich was Grösseres draus machen, voraussichtlich auf der Grimsel.
www.riederholzundkunst.ch
Interview: Nadja Ruch